Die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern kommt zum 17.12.2021 – und bemerkenswert wenige Unternehmen sind darauf vorbereitet. Natürlich ist das wieder eine Regelung, die umgesetzt werden muss, und viele mittelständischen Unternehmer befällt bei dem Thema anonymisierte Hinweise ein „ungutes Gefühl“. Wir meinen: Diese Richtlinie bietet vor allem Chancen!
Die EU-Richtlinie aus 2019 muss bis 17.12.2021 in nationales Recht umgesetzt sein. Mit dieser Richtlinie werden Hinweisgeber, die Missstände oder Fehlverhalten in Unternehmen melden, besser geschützt. Unternehmen schaffen hierfür ein Meldesystem mit einem unabhängigen Ansprechpartner, das einen richtlinienkonformen Umgang mit Meldungen über illegales oder unethisches Verhalten ermöglicht. Neutralität und Anonymität stellen eine fundierte Bewertung der Sachverhalte sicher.
Die Verpflichtung besteht anfänglich für Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden, bevor im Jahr 2023 die Grenze auf 50 Mitarbeitende abgesenkt wird. Dieses Thema ist also gerade ein Thema für die Compliance im Mittelstand.
Unzählige Regelverstöße zu Lasten des Mittelstandes
Wir kennen aus der Beratungspraxis unzählige Fälle von Regelverstößen zu Lasten der mittelständischen Unternehmen. Diese passieren auf allen Ebenen des Unternehmens und die Geschäftsführung hätte sich in sehr vielen Fällen Hinweise von Personen, die darüber informiert waren, sich aber nicht trauten aktiv zu werden, gewünscht.
Eine Studie der Fachhochschule Graubünden und der EQS Group aus 2021 bestätigt unsere Erfahrungen: In 2020 waren rd. 37% aller deutschen Unternehmen von illegalem oder unethischem Verhalten betroffen. Bei einem Viertel dieser Fälle lag der Schaden für das Unternehmen über TEUR 100.
Dies führt dazu, dass, laut genannter Studie, bereits 44% der Unternehmen mit 20 bis 249 Mitarbeitenden eine Meldestelle als Instrument der Prävention und der Aufdeckung von Missständen eingerichtet haben und dieses Instrument fest in ihr Compliance-Konzept eingebunden haben. Die Erfahrungen aller Unternehmen, die Meldestellen eingerichtet haben, sind rundum positiv. Sie reichen von einer höheren Qualität in den Complianceprozessen über ein integreres Verhalten bis hin zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit. Auch hier untermauert die Studie der FH Graubünden unsere Erfahrungen in mittelständischen Unternehmen.
Etablierung von Compliance-Systemen im Unternehmen
Complian’se ist seit langem mit der Etablierung von Compliance und der Weiterentwicklung von Compliance-Systemen in mittelständischen Unternehmen befasst. Karin Scherer und Martin Auer sehen bei der Umsetzung der Richtlinie u.a. diese Erfolgsfaktoren:
- Die strengen Anforderungen der Richtlinie an die Anonymität der Hinweisgeber und an die Kommunikation braucht einen klaren Prozess. Dieser wird mit einem webbasierten System sicher abgebildet und bindet die unabhängige Meldestelle mit ein. Derzeit positionieren sich einige Anbieter und Complian’se hat die mittelstandsgeeigneten Lösungen validiert. Mit diesem System ist die anonyme Meldung und Kommunikation rechtssicher umgesetzt.
- Die Einführung wird kommunikativ im Unternehmen begleitet. Die Mitarbeitenden sollen wissen, dass sich das Unternehmen an geltendes Recht hält und dass ihnen nun diese Möglichkeit eröffnet wird. Informationsangebote stärken die positive Wirkung auf das Unternehmen. Erfahrungen zeigen, dass auch bei anonymen Hinweissystemen keine höhere Anzahl von nicht wahrheitsgemäßen Meldungen auftreten.
- Die Werte in ihrem mittelständischen Unternehmen werden mit diesem Schritt in den Vordergrund gestellt. Sie wollen in Ihrem Unternehmen Missstände aufdecken und finanzielle Verluste und Reputationsschäden vermeiden. Ein Umfeld, in dem Ihre Mitarbeitenden gerne arbeiten. Deshalb ist es mit der technischen Einführung alleine nicht getan. Die Organisation muss auf diesen wichtigen Baustein ausgerichtet sein und die Mitarbeitenden eingebunden werden. Manchmal ist das eine kleine Aufgabe – in jedem Fall erfolgt immer eine Einbindung in vorhandene Compliancestrukturen.